Rollenspiel ist voll im Trend

Rollenspiel, RPG.
Der Begriff wird immer stärker marketingtechnisch ausgeschlachtet, im Grunde liegen nur noch die abgenagten Knochen des Begriffes herum.

Sobald ein mediales Produkt auch nur ansatzweise Segmente des "dunklen Erbes" enthält, verpaßt man ihm in irgendeiner Form den Zusatz RPG. Teilweise mit haarsträubenden Kunstbegriffen.

Um das zu verstehen muß man erstmal zwei Begriflichkeiten erklären.
Zuerst, warum ist ein RP Etikett so fördernd?
Die Durchdringung fiktiver, erlebbarer, fantastischer Inhalte in die Gesellschaft, das hoffähig werden von solchen Inhalten, ihre leichte Zugänglichkeit sowie die Akzeptanz von solchen erträumten Heldenepen bedingen es.
Wenn man so will ist die Verfilmung und der Erfolg von Herr der Ringe nicht der Anfang dieser Entwicklung, auch nicht der Durchbruch oder das Ende dieser Entwicklung. Der unglaubliche Erfolg dieser Filme spiegelt nur sehr deutlich wieder, das der Konsument heutzutage ein Bedürfniss nach solchen Inhalten hat. Und zwar ohne sein gewohntes Standardleben zu verlassen, sich plötzlich mit Geschichte, Sagen, Legenden zu befassen, die für die Rollenspieler Subkultur typische philosophische, weitblickende und kritische Denkweise anzunehmen, deren Toleranz oder sonstigen (merkwürdigen) Eigenschaften.

Rollenspiel, das riecht nach Erleben, Ausbrechen aus dem Alltag, Zerstreuung, eintauchen in fremde Welten. Nur zu gerne wird da Margret Müller, Hausfrau, zur Heldin die den Drachen besiegt.
Das kann aber nur sein, wenn die angebotenen Inhalte ganz bestimmten Mechanismen folgen, damit sie von dem Standard Konsumenten eben den Rollenspiel Kick ergeben. Mechanismen die es diesem Konsumenten, der ja wie oben beschrieben, immer noch der gleiche tumbe Konsument, das Opfer von Medien, Politik, Manipulation und Werbung ist, erst sagen das er jetzt einen Rollenspiel Inhalt konsumiert. Ohne diese Mechanismen ist das kein RP Inhalt.

Und diese Mechanismen sind Großteils Bestandteile des "dunklen Erbes". Was ist das dunkle Erbe? Das dunkle Erbe des Rollenspiels stammt aus einer Zeit, Ende 70er und die 80er Jahre.
Dungeons & Dragons, Midgard, DSA First Edition, die SoloRP Bücher des Herrn Jackson.

Entwickelt aus der damaligen Fantasyliteratur sowie anderen Quellen (Tabletops z.b.) war der Ablauf immer gleich: In einem abgeschlossenen, linearen Abenteuer erleben klasissche Fantasy Archetypen ein episches Abenteuer, und verbessern sich und ihre Ausrüstung stetig.

DAS klasissche DSA Abenteuer ist DAS Beispiel dafür: "Wirtshaus zum schwarzen Keiler". Das Abenteuer beginnt im gleichnamigen Wirtshaus. Warum es da steht, wieso die Helden dort sind, ist völlig irrelevant. Wichtig ist das im Keller des Wirtshauses ein weit verzweigtes Höhlensystem beginnt, welche die Lineraität sicherstellt, in der ein Ork umherstreift und dabei an der Tür eines Drachen vorbeikommt, Schatzkammern mit Fallen einfach da sind, Nekromanten zwei Kavernen weiter Skelette beschwören usw.
Persistent war das nicht, aber zeitgemäß.

Man ist als LvL 1 Charakter rein, und kam als LvL 3-4 Charakter raus, inklusive epischer Waffen, magischer Schriftrollen, mächtigen Artefakten.

Lineare Handlungsstränge, Erfahrungspunkte, Fertigkeiten und Attributswerte, Spezialattacken, Klassen, kontinuierliche Hetzjagd nach dem nächstbesserem Ausrüstungsgegenstand, das ist das dunkle Erbe.

Während jetzt moderne, echte Rollenspielprodukte sich immer weiter davon entfernen, immer mehr eine freie Welt simulieren, in der eine große Metahandlung abläuft, der man aber nicht gezwungenermaßen beiwohnen muß, ist das sog. Konsumentenrollenspiel noch immer im dunklen Erbe verhaftet, das dunkle Erbe bedingt sogar die Wahrnehmung eines medialen Angebots als Rolenspiel beim Konsumenten.

Natürlich haben freie Welten Grenzen. Spätestens dort wo der Ausgang einer gespielten Handlung zweifelhaft ist ob er gelingt (pen & Paper), reale Sicherheitsbedenken notwendig sind (LARP), oder Balancing einer Spielwelt notwendig ist (PC RPGs, besonders MMORPGs) findet man immer noch Reste des dunklen Erbes. Oft allerdings mehr als tatsächlich notwendig ist.

Shadowrun, Paranoia, neuere DSA Editionen, Star Wars Galaxies vor dem Combat Upgrade 1 Patch, EvE Online, Fallen Earth, Neocron, DKWDK Larp Systeme sind gute Beispiele für Rollenspielangebote, die sich möglichst weit vom dunklen Erbe entfernen, um eine tatsächliche, möglichst persistente und freie Welt anbieten, in denen sich der Spieler so frei wie nur irgend möglich bewegen kann.
Allerdings, wenn ein Anbieter sich nicht auf diese Nische spezialisieren will, warum auch immer, und vom dunklen Erbe losgelöste Angebote sind Nischenprodukte für die sehr tief drinsteckenden Rollenspieler, dann muß er dem dunklen Erbe treu bleiben.

Neocron und das alte Star Wars Galaxies hatten eine unglaublich lebendige, vor Ideen sprühende und loyale Fangemeinde. Bei näherem hinsehen entpuppte diese sich aber als genau die Nische der modernen Rollenspieler, der Angehörigen der Rollenspiel Subkultur.
Und mit denen kann man Geld verdienen, aber nicht das große Geld.

WoW und die ganzen Klone, wie WaR, HdRo, Aion usw. sind unglaublich stark im dunklen Erbe verhaftet. Nicht nur die Klassen, Archetypen, Entwicklungssysteme, Erfahrungspunktsysteme, Ausrüstungsjagdsysteme sind wie früher, sogar die Spielumgebung ist so.
Da läuft man also zwei Meter weit und steht plötzlich in einem verwunschenen Wald. Er ist einfach da. Dort jagt man dann den bösen Nekromanten, stolpert plötzlich über einen Bauern dem man Holz hackt. Wieso? Das wird nicht erklärt.
Ein paar Schritte weiter steht man in einer roten Sandwüste. Hier kämpfen Drachen und Dämonen, hier ist ein Portal zu den Niederhöllen offen. Warum diese wilde Horde allerdings das nebenstehende, friedliche, wehrlose und nur von Räubern geplagte, trockene Ackerland überfällt wird nicht erklärt. Wie das Wirtshaus zum schwarzen Keiler ist der Ort einfach da, ohne Persistenz.

Auch Stufen sind festgelegt, soviel XP sind nötig. Wenn man aufsteigt wird man sofort, je nach Klasse, stärker, klüger, gewandter. Und auf einmal kann man plötzlich schleichen, mit seinem Schild schlagen, und ein Schwert benutzen, oder man merkt das man nie eines benutzen kann. Warum eigentlich? Wieso konnte der Krieger nicht schon früher anstatt mit dem Schwert auch mal mit dem Schild zuschlagen? Warum kann ein Magier, der in der gleichen Welt aufgewachsen ist und seit 20 Leveln Seite an Seite mit dem Krieger kämpt nie lernen wie er ein Schwert überhaupt hält? Wieso kann er nie die Basisschläge lernen?

Das Etikett Rollenspiel im Sinne des dunklen Erbes ist für wirklich intensives Rollenspiel hinderlich und nicht fördernd, es stellt aber die momentan ultimative Steigerung von Gewinnen die mit medialen Produkten erzielt werden können. XP Systeme, Klassen und Stufensysteme werden überall eingebaut, koste es was es wolle. Sogar in einem Rennspiel habe ich sie schon gesehen.

Kommentare

Anonym hat gesagt…
Das unterzeichne ich dir sofort. Gruß

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