"Die endgültige Teilung der LARP Szene ist unser Auftrag"

So schrieb es Ralf Huels, ein bekanntes Urgestein und ein Vordenker der deutschen LARP Szene 2003 erstmals in einem unterdessen nicht mehr existenten LARP Forum.
Sein vollständiges Statement und dessen Weiterentwicklung sind hier nachzulesen:
http://www.larpwiki.de/cgi-bin/wiki.pl?TeilungDerLARPSzene
Ebenfalls im larpwiki zu finden sind die ironischen LARP Archetypen. Jeder vons uns LARPern weiß instinktiv worüber ich heute schreiben will.

Ich habe dieses Statement vor knapp Anderthalb Jahren in abgewandelter Form für mich adoptiert. Ralf möge es mir verzeihen. LARP als Hobby steht ja kurz vor dem gesellschaftlich akzeptierten Durchbruch als Freizeitbeschäftigung. Die Wandlung von Pen & Paper zum anerkannten Gesellschaftsspiel sowie die Millionenerfolge der bekannten MMORPGs und Single RPGs des digitalen Zeitalters sind daran alles andere als Unschuldig.

Aber genau wie die Wandlung von Skateboardfahren, Strret Skating, Snowboarden, Bungee Jumping und ähnlichen außergewöhnlichen Hobbies vom freakigen, elitären Extremsport zum Portfolio der Dinge, aus denen Joe Normalo wählen kann, steht auch LARP vor einer Entscheidung. Der Entscheidung groß, akzeptiert, spezialisiert zu werden, oder abzustürzen und wieder im Untergrund zu verschwinden. Ich würde ersteres bevorzugen, alleine weil LARP geschichtliche Bildung, die Fantasie und Kreativität, Bewegung und soziale Kompetenzen unglaublich stark fördert.

Die erste Tatsache der man sich da stellen muß ist die, das die Sichtweisen teilweise extrem unterschiedlich sind, die Menschen auf dieses Hobby haben. Das ist aber Sache der Orgas, dem Rechnung zu tragen. Zweite Tatsache ist, das alle Beteiligten sich dem aktiv bewußt sind, sich damit auseinandersetzen und Jeder einzelne Teilnehmer des LARP Hobbies sich darüber Gednaken macht. Die dritte Tatsache ist das sich ebenfalls jeder darüber Gedanken machen muß, welche Vorraussetzungen mitzubringen sind ob ob der Einzelne sie hat.

Die erste Schlußfolgerung ist der Kompromiß. Der muß geschlossen werden, mal mehr, mal weniger. Was aber nicht möglich ist unter dem Gesichtspunkt LARP als Massenhobby ist, das Kompromisse um jeden Preis gefunden werden müssen. Mitnichten sogar.
Ich möchte einige Aspekte der Conorganisation, des bespielens einer LARP Welt sowie des allgemeinen Verhaltens und die Anforderungen herausgreifen, um die meiner Meinung nach überfällige Spezialisierung des Hobbies zu verdeutlichen.

Es ist eigentlich egal welches Regelsystem man bevorzugt, welches Genre, welches Powerniveau, welches Kampfsystem. LARPser sind wir alle. Was aber absolut nicht geht ist die Art und der Weise in der diese Sichtweisen aufeinander prallen. Ob IT, OT oder im Internet, während des Cons, davor, dazwischen oder danach. Leute so gehts nicht.

Ich möchte jeden einzelnen Teilnehmer unseres Hobbies zuerst einmal auffordern, sich hinzusetzen und folgende Dinge abzuarbeiten:
- Was möchte ich spielen?
- Wie möchte ich es spielen?
- Was möchte ich erleben?
- Wie möchte ich es erleben?
- Welche Organisation will ich?
- Welche Infrastruktur?

Wenn das beantwortet ist, sollte sich jeder noch folgende Fragen beantworten:

- bin ich in der Lage dazu, an dem teilzunehmen was ich möchte?
- bin ich körperlich dazu im Stande?
- Geistig?
- Wieviel geistiges und körperliches Training bin ich bereit zu investieren auf den Level zu kommen den ich mir wünsche?
- Muß ich nicht eventuell meine Wünsche den eigenen Realitäten anpassen?

Und dann die letzte Frage:

- Wie stark kann und will ich mein eigenes Ego zurückstellen?

Im schlimmsten Fall können diese Fragen dazu führen das der Traum vom LARP zerplatzt. Das ist schmerzhaft für einen selbst. Aber man sollte überall im Leben akzeptieren das man manche Dinge nur träumen kann. Meistens gibt es Ersatz"drogen", im Fall von LARP das Pen & Paper. Und man darf dann aber auch nicht brutal eine Art LARP einfordern, wo man dann doch mitmachen kann. Weil das z.b. nicht jeder Fußballprofi werden kann, Meister des Judo, Ingenieur oder Kaufmann, das wissen wir doch alle, und akzeptieren es ja auch, selbst wenn wir insgeheim dennoch davon träumen. Es ist einfach so das nicht jeder alles machen kann. Wir kriegen das zwar immer erzählt, aber die Realität ist es nicht. Je eher jeder das für sich akzeptiert und sich auf seine Stärken konzentriert, desto weniger Ärger gibt es. Das gilt nicht nur fürs LARP, sondenr fürs gesamte Leben.

Ich fordere daher alle Orgas und Spieler auf, sich ihre Vorstellung vom LARP Hobby klarzumachen und danach für sich persönlich die geistigen und körperlichen Vorraussetzungen zu schaffen, immer im Rahmen aller eigenen Ressourcen, diese Vorstellung umzusetzen. Danach geht der Prozeß der Kompromiße los, um möglichst viele ähnliche Vorstellungen zu einem geilen Con zusammenzufassen. Ich sage bewußt ähnliche, weil es gibt nur eine bestimmte Bandbreite an möglichen Kompromissen, außerhalb dieser Bandbreite führt jeder Versuch der Vereinbarung zu Ärger.

Meine Meinung vom LARP ist eine harte. Eine sehr harte sogar. Wenns nach mir ginge gäbs nichtmal Rüstungspunkte, nur punkteloses DKWDK. Der Kompromiß den ich eingehe damit ich mit Anderen geil spielen kann ist dann aber der eines leicht reglementierten DKWDDK. Wo ich aber nicht kompromißbereit bin, ist das High Power Dragon Sys Con. Ich werde mich nicht mehr auf Cons blicken lassen, wo Chars nicht sterben, ultramächtig sind und das Regelsystem High Fantasy, High Power Spiel im engen Regelkorsett bevorzugt.
Dort gehöre ich nicht hin. Und wenn ich doch hingehe, dann anderen Menschen zuliebe, die ich dort treffen kann. Aber dann werde ich mich nicht aktiv ins Geschehen einbringen, weil ich sonst mir und den Anderen das Spaßpotenzial versaue. Andersrum erwarte ich dann aber auch, das Liebhaber solcher Cons sich nicht auf denen blicken lassen, die meine Spielweise favorisieren und wenn doch, das sie sich dann soweit ihnen möglich ist, anpassen und überall dort wo sie nicht mehr mitmachen können, im Hintergrund halten.

Was einen gleich zum hitzigsten Thema bringt. Der Sicherheit im Kampf. Wenns nach mir geht könnten sogar Kopftreffer und Infights erlaubt sein. Wenn die verwendeten Waffen bestimmten Mindeststandards genügen, z.b. Breite der Klingentreffläche, Zugkraft der Bögen, Mindestabstände, Fitness der Teilnehmer, Schmerzresistenz der Teilnehmer und ähnliches. Das ist aber außer im kleinsten Bekanntenkreis nicht umsetzbar. Also wieder die Bandbreite der Kompromisse. Infight ja, nach Absprache oder für das Con allgemeinem Infightwillich Erkennungszeichen, Kopftreffer vermeiden wo es nur geht, aber nicht austicken wenn es doch mal passiert.

Andererseits verstehe ich auch Mitspieler, die sich weigern Schläge die über Kopf geführt auf Schulterhöhe endend zu akzeptieren, oder sich weigern in unebenem, wurzelübersätem Waldgelände zu kämpfen. Bin ich auf einem Con wo hart gekämpft wird, die Leute leichte Prellungen und blaue Flecke akzeptieren, sollte ich mir vorher überlegen ob ich das selbst durchstehen kann. Andersrum kann ich aber nicht fordern das jemand eine harte Gangart zu akzeptieren hat, wenn er das nicht aushalten kann.

Das alles und noch einiges mehr, was ich mir aber erspare weil der Text zu lang wird, bringt mich aber zu zwei Bedingungen:

1. An die Orgas:
Es ist euer Con, eure Welt, eure Regeln, eure Spielweise. Ihr legt die Rahmenbedingungen und Teilnahmebedingungen des Cons fest. Steht auch dazu. Legt klar und deutlich dar, welche die euren sind, steht dahinter und setzt sie durch. Habt Mut zur Spezialisierung eures Cons, kommuniziert das auch. Keine Angst vor Verleumnung, Schauermärchen, Forderungen von "bekannten" LARPern und -organisationen, übler Nachrede und "Kommen dann überhaupt genug Leute?". Glaubt mir, die Zahl derer die laut oder leise, deutlich oder insgeheim, spezialisierte LARP Umfelder möchten ist weit größer als man denkt. Ihr kriegt die Cons voll, schneller als sonst beim Con "für jedermann" Standard. Sicherlich werdet ihr polarisieren, ein allgemein positives Feedback wirds nicht mehr geben. Es wird keine große LARP Familie mehr in euren Foren und auf euren Cons geben. Aber das muß es auch nicht. Wichtig ist das diejenigen, die mit euren Sichtweisen auf das LARP konform gehen hochzufrieden sind.
Und solange ihr im Vorfeld klar kommuniziert habt welche Sichtweisen das sind, kann euch niemand einen begründeten Vorwurf machen er wäre überfordert gewesen. Alle Teilnehmer die nicht eure Sichtweise teilten und trotzdem kommen, müssen das dann in ihre eigene Verantwortung nehmen, auch wenn sie es nicht wollen.
Und seit nicht zimperlich damit eure Hausrechte dann auch durchzusetzen. Explizite Ausladung nicht passender Spieler, Platzverweise, Konsequenzen IT wie OT. Nur dann geht es auch.

2. An die Spieler:
Akzeptiert das es unterschiedliche Sichtweisen gibt. Akzeptiert auch das es spezialisierte Cons dafür geben muß. Und selbst wenn es euch noch so sehr in den Fingern juckt Con X der Orga Y zu besuchen, bitte überlegt euch vorher erst ob ihr den Rahmenbedingungen und der Spielweise gewachsen seit. Das mag diskriminierend klingen, aber man kann es nicht jedem Recht machen. Das geht nicht. Überlegt euch dann aber auch wo ihr Kompromisse eingehen könnt, um dem Con und euren Mitspielern als ganzes zu helfen sehr geil zu werden.
Hinterfragt aber eure Wünsche auch kritisch. Seiti hr wirklich in der Lage einen Ritter in Vollplatte zu spielen? Körperlich, macht euer Körper das mit? Macht euer Geist das mit? Habt ihr historisches Wissen über den Adel? paar Kumpel für den Hofstaat? Sind die dazu in der Lage? Könnt ihr feudal auftreten, Befehle erteilen, undemokratisch handeln, Verbeugungen und Kniefälle einfordern und auch ertragen? Seit ihr bereit blaue Flecke zu bekommen, mal nen unbeabsichtigten Kopftreffer, mal nen härteren Schlag? Seit ihr es wirklich?

Dann, und nur dann kann LARP meiner Meinung nach die nächste Stufe im Niveau erklimmen. Wenn Spieler, Orgas und Cons sich kritisch betrachten, hinterfragen, sich spezialisieren und dann konsequent ihr Hobby betreiben.

Kommentare

Alex4 (aka Loki) hat gesagt…
Servus Alex,

ich muss sagen, ich stimme dir voll und ganz zu. Gerade, weil ich es einfach erlebt habe, dass ich zu Heldentrutz (III glaube ich), mit vollkommen falschen Erwartungen hin gegangen bin. Ich habe einfach eine andere Spielweise erwartet, und mir selbst damit den Spaß deutlich vermießt. Wäre ich vorher mit anderen Erwartungen rein gegangen, hätte ich selbst ein deutlich cooleres Con gehabt.

Ich bin inzwischen der festen Überzeugung, dass die Teilung der LARP-Szene etwas ist, das vor allem von den Orgas ausgehen muss. Nur wenn ich eine Orga habe, die klipp und klar schreibt, was für eine Art sie spielen, und sie auf dem Con haben möchten, habe ich überhaupt die Möglichkeit mir Gedanken zu machen, ob das der richtige Con für mich ist. Ich weiß nicht, ob einige Orgas ihre Ausführungen zu ihrem LARP immer so allgemein ist. Vielleicht ist es für sie einfach selbstverständlich. Vielleicht wollen sie aber möglichst schnell das finanzielle Risiko auf eine breite Basis an Spielerschaft und potentieller Spielerschaft abwälzen.

Ich hoffe, dass ich noch mal in den nächsten Wochen mit Thilo Wagner sprechen kann, ob er seinen LARP-Kalender nicht ein wenig erweitern will. Denn die meisten Orgas nehmen immer noch die Kategorisierung vom LARP-Kalender um ihre einen Cons zu beschrieben. Meiner Meinung nach sind die beiden entscheidensten Punkte nicht in der Kategorisierung enthalten: Powerlevel (von Bauernspiel bis Powerspiel) und das Fantasylevel (von: Nur Menschen bis hin zu: Was ihr euch vorstellen und erklären könnt). Theoretisch wäre es vielleicht noch interessant eine Härteskala mit ein zu bauen. Eine die von "kein IT Fight, Kampf nur stark abgebremst" bis hin zu "Mit IT Fight muss jederzeit gerechnet werden" geht. Wäre nett, wenn du deine Meinung zu der Idee von der Erweiterung des LARP Kalenders schreibst.

Ich glaube wir sind durchaus auf dem Weg, dass die Leute beginnen zu begreifen, dass es mehr als nur eine Art gibt, wie man spielen kann, und das man nicht jeden auf seinen Con lassen möchte. Meine besten Cons bisher waren Weihenhorst und Kel Essuf. Beide haben von vornherein gesagt, was sie haben, wie ihre Vorstellung von allem aus sieht, und was sie haben möchten. Bei Kel Essuf noch mehr. Und es ist einfach geil einen 100 Spieler Con zu haben, wo nur ein einziger Spieler negativ auffällt, und du merkst, dass alle anderen, eine Art von LARP spielen, die der deinigen kaum widerspricht.

Viele Grüße,

Alex4
Anonym hat gesagt…
Haben ja schon gelegentlich im Chat ueber solcherlei Dinge miteinander geschrieben. Ich kann mich deinen Worten dazu nur anschliessen, Cuthullu.
Anonym hat gesagt…
Ralf Hüls als Allvater des Larp hinzustellen find cih schon etwas merkwürdig...

... Aber nun gut. Darf ja jeder denken was er will. Ansonsten find ich die Idee des Polarisieren nicht schlecht...

... aber bin ich tatsächlich schon sooo lang aus dem aktiven Dienst draussen das sich sooo viel geändert hat?
Diese Spezies hats doch schon immer gegeben.

Schlachtencon contra Hofhaltungsschranzen, contra Abenteuerplott, contra Ameintefeier, contra Horrorszenario, contra Kriminalplott...

... und irgendwie kennt man seine Orga doch. ich geh ja auch nicht zu irgendeinem Messerschwinger wenn ich gutes Fleishc haben will, sondern zur Orga meines Vertrauens.
Cuthullu hat gesagt…
Und genau dieses "ich geh nur zur Orga dieses Vertrauens" ist doch typisch deutsches Klein Klein.

Wie soll man da sich als größere Gruppe betrachten.

So lernt nie die Gleichgesinnten LARPer außerhalb seiner festgefahrenen Wege kennen.

Lieber Conankündigungen mit deutlich strukturierter Ansage wie auf diesem Con geLARPt wird, damit ich auch mal über meinen regionalen Tellerrand rausschauen kann.

Und wenn du meinst ich stelle Ralf als Godfather des LARP hin, lol. Seine Meinungen sind den meinigen sehr Nahe, und er schreibt noch am wenigsten mit emotionalem Pathos und am meisten mit Sachlichkeit.

Ansonsten steht in meinem Text: Klare Regelungen/Strukturen für leichte Orientierungen und maximale Auswahlmöglichkeiten des einzelnen. Mehr nicht.
Anonym hat gesagt…
Naja, wenn es einen "Allvater" des LARP gab, war das sicher ein Anderer. Er ruhe in Frieden.

Die "Teilung der Larp-Szene" ist übrigens seit einiger Zeit widerrufen. Gerade als Aufruf zum Kompromiß ist sie gescheitert.

Siehe auch Die Teilung der LARP-Szene frißt ihre Kinder

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